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Modul: Boden - Werkstatt
Kapitel: Regenwurm-Werkstatt
Seitentitel: Fortbewegung

Regenwürmer besitzen keine Beine und Arme bzw. Vorderextremitäten, mit denen sie sich fortbewegen können. Sie bewegen sich kriechend durch abwechselndes Strecken und Verkürzen einzelner Körperabschnitte, wobei sich Körperdurchmesser und –länge verändern.

Ermöglicht wird diese Fortbewegungsweise durch den Hautmuskelschlauch mit seiner starken Ring- und Längsmuskulatur (s. Muskulatur), den Druck der Leibeshöhlenflüssigkeit (s. Leibeshöhle), die in den Segmenten kammerförmig eingeschlossen ist, und die Borsten.

Bei der Fortbewegung wird „… zunächst ein Körperabschnitt unter Erschlaffung der Ringmuskulatur und kräftiger Kontraktion der Längsmuskulatur stark verkürzt und damit verdickt. Hierbei werden die Borsten aus den Taschen herausgedrückt und verankern – schräg nach hinten stehend – diesen Körperabschnitt im umgebenden Boden. Gleichzeitig wird aber der davor liegende Teil des Wurmes unter Erschlaffung der Längsmuskulatur und Kontraktion der Ringmuskulatur stark gedehnt und somit verdünnt“ (DUNGER 1964, S. 65). Dadurch erfolgt eine Streckbewegung nach vorne. Die Muskelkontraktionen setzen sich wellenförmig durch den gesamten Wurmkörper fort und werden durch den Druck der Körperflüssigkeit in den einzelnen Segmenten verstärkt. „Bei rascher Bewegung folgen diese Kontraktionswellen in Abständen von etwa einem Drittel der gesamten Wurmlänge aufeinander“ (DUNGER 1964, S. 65).

Abb.1: Fortbewegung des Regenwurms
(Zeichnung: Karen Kiffe)

Bildhaft gesehen könnte man den Regenwurm mit einem Wasser gefüllten Gummischlauch vergleichen, der längs- und querelastisch ist. Wird er lang gestreckt, so verringert sich der Durchmesser und er wird dünner (konkret: Längsmuskulatur entspannt, Ringmuskulatur kontrahiert). Wird er in der Längsachse gestaucht bzw. zusammengedrückt, so verkürzt er sich und wird dicker (konkret: Längsmuskulatur kontrahiert, d.h. verkürzt, und Ringmuskulatur entspannt, d.h. geweitet).

Normalerweise kriechen Regenwürmer vorwärts. Durch Licht-, Berührungs- oder chemische Reize können sie aber auch zum Rückwärtskriechen veranlasst werden (s. GRAFF 1983, S. 38).

Beim Eindringen in den Boden und bei der Neuanlage von Gängen und Röhren wird das stark muskulöse und zugespitzte Vorderende als Keil benutzt (s. Abb. 2). „Der Vortrieb des Körpers erfolgt wie an der Oberfläche durch abwechselnde Betätigung der beiden Muskellagen. Zum Überwinden des Bodenwiderstandes dient der hydrostatische Druck der Leibeshöhlenflüssigkeit auf die Körperwand“ (GRAFF 1983, S. 39). Durch kräftige Kontraktion der Längsmuskulatur verkürzen und verdicken sich die vorderen Segmente und erweitern den Hohlraum an der Bodenoberfläche. Dabei wird der Wurmkörper durch eine vom Vorder- zum Hinterende laufende, kontraktionsbedingte Verkürzungs- und Verdickungswelle der nachfolgenden Segmente nachgezogen. Durch wiederholtes Vorstrecken und nachfolgende Kontraktionswelle wird der Bodengang gebohrt, vertieft und erweitert (vgl. DUNGER 1964, S. 65 ff. und BRAUNS 1968, S. 312 ff.). So gräbt sich der Regenwurm immer tiefer in den Boden ein und legt im Laufe der Zeit zahlreiche Gänge und Wohnröhren an. Durch seine Borsten, mit denen er sich im Untergrund verankert, kann er in seinen engen Röhren auf – und absteigen.

Abb.2: Vordringen des Regenwurms in den Boden
(Abbildung aus BUCH 1986, S.13)

 

Weitere Informationen:

  • Gänge und Wohnröhren
  • Bedeutung der Regenwürmer


Literatur

BUCH, W. (1986): Der Regenwurm im Garten. Stuttgart : Ulmer.
BRAUNS, A. (1968): Praktische Bodenbiologie. Stuttgart: G. Fischer.
DUNGER, W. (1964): Tiere im Boden. Wittenberg: Ziemsen.
FÜLLER, H. (1954): Die Regenwürmer. Die Neue Brehm-Bücherei, Heft 140 (Nachdruck). Wittenberg: A. Ziemsen Verlag.
GRAFF, O. (1953): Die Regenwürmer Deutschlands. Hannover: Schaper.
GRAFF, O. (1983): Unsere Regenwürmer: Lexikon für Freunde der Bodenbiologie. Hannover: Schaper.